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Sonntag, 7. August 2011

03.08. 14ème étape: Ydes–Mauriac (43,38 km, 3:17:39) (Chaussée deformée)

Dem Führer glaub' ich gar nix mehr!“

Morgens sind wir froh, dass uns über Nacht nichts gestochen oder sonstwie gepeinigt hat, die Chance war ziemlich groß. Unten in der Bar gibt es Café au lait, Baguette und nur ein bisschen Deutsch. Der Abend hat die Chefin wohl ziemlich gefordert. Uns steht das noch bevor, denn es geht etwa drei Kilometer aufwärts gen Champagnac, wo wir schon vor dem Ortseingang erwartet werden:


In dem einstigen Minen-Ort ist die Armut von unten schnell vergessen – Herrschaftshäuser, gepflegte Vorgärten, alles sieht sehr einladend aus. Was uns jetzt erwartet, sind acht Kilometer rasante Abfahrt zum Pont de Vernéjoux und direkt anschließend erneut dreieinhalb Kilometer steile Auffahrt. Mo sieht sich in Richtung Mittelerde versetzt, in diesem feuchten Mikroklima säumen Kollateralschlangen und -frösche den Straßenrand.

Guten Morgen, Bilbo.
„We wants it, we needs it. Must have the precious. They stole it from us. Sneaky little hobbitses.“
Vorspeisen am Wegesrand.

Bei jedem Stop sammeln sich um uns Tiere, die von Blut leben, und ihr Verhalten lässt darauf schließen, dass sie länger nichts mehr zu saugen hatten. Wir sprühen sie mit Autan in die Flucht. Kurz vor Sérandon spricht uns ein Autofahrer an, der aus dem Ort kommt. Es sei gleich vorbei, nur noch 300 Meter, bonne journée. Wir lernen auf den folgenden 700 Metern, was ein Autofahrer unter 300 Metern versteht.

Langsam setzt Nieselregen ein, der sich kontinuierlich steigert. Gleich rechts am Ortseingang erwartet uns Chez Lisa, wohin wir vor dem Regen flüchten. Drinnen ist es dunkel, am Tresen drei alte Männer und eine Frau aus dem Ort, die Herren riechen streng. In der Ecke über der Kaffeemaschine spuckt der Flachbildschirm Videdohits und Hit-Videos in loser Folge aus, die Herren trinken Café oder Liqueur, die Dame bestellt das zweite Bier.

Irgendwann erscheint Lisa und spricht mit einem gerade reingeschneiten Gast Englisch. Ich frage, wie und wann sie denn hierher gekommen sei, sie antwortet, das sei mehr als zwanzig Jahre her „and there was sun then“.

Wie üblich verfahren wir uns am Ortsausgang und müssen wieder zwei Kilometer zurück, dann fängt der Regen wieder an. Wir stellen uns kurz im Wald unter, und als der Regen nachlässt, rollen wir weiter bergab bis zum Belvédère de Gratte-Bruyère, einer Aussichtsplattform über dem Zusammenfluss von Dordogne und Sumène. Hier verbringen wir auch unsere Mittagszeit. Essen im Stehen neben den Rädern, Holländer und Franzosen bleiben einfach im Auto sitzen.

Unsere schöne Rauf-und-runter-Landschaft.
Und es sieht wirklich aus wie auf der Zeichnung.
Besatzung und Widerstand sind allgegenwärtig.

Mit nachlassendem Regen brechen wir auf, vorbei an der Nau (wo ein Silverdale-of-Nottingham-Bus mit laufendem Motor auf eine Gruppe britischer Kinder wartet, die sich gerade zum Wassersport umziehen), hin zum Pont de Saint-Projet:

Hier wirkt die Dordogne ziemlich überspannt.
Sieht gar nicht so gefährlich aus.

Ab der Brücke geht es zum Abschluss des Tages nochmal rund zwölf Kilometer bergauf. Wir vergessen dabei mehr und mehr den Blick in die Landschaft, sondern versuchen hauptsächlich, uns einigermaßen aufs Treten zu konzentrieren. Eigenartig ist dabei die Erkenntnis, dass uns zwar nichts weh tut, aber trotzdem der ganze Körper wie ausgezehrt wirkt. Neben der physischen Belastung zeigt sich auch immer stärker die psychische Beanspruchung durch unsere Unternehmung. Mos Hass auf den Reiseführer wächst mit jedem Meter Anstieg, denn es ist nicht nachzuvollziehen, für welche Fahrer er dieses Buch entwickelt hat. Außerdem bin ich recht sicher, dass er selbst die Strecke nur mit einem Camper abgefahren ist. Anders lassen sich viele der Fehler nicht erklären.

In Mauriac bekommen wir das letzte Zimmer des Hotels. Nach Ydes ist es ein kleines Paradies, und es kostet nur zehn Euro mehr.

Späte Ankunft, stille Stadt.
Typische Bauweise der Region.

Als sich dann auch noch das Abendessen schwierig gestaltet (Restaurant complét, Restaurant äh-bäh), kriegen wir uns in Le Grilly, dem Fleischpalast der Stadt, zuerst gehörig in die Wolle und dann doch noch halbwegs die Kurve.

Morgen müssen wir aus diesen Bergen rauskommen!