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Montag, 15. August 2011

10.08. 20ème étape: Cordes-sur-Ciel–Albi (23,64 km, 1:11:29) (Attention! Priorité aux piétons!)

Zwei Gänge rückwärts

Am 10. August haben wir unser Projekt nach 1.856 Kilometern abgebrochen, in Albi einen Leihwagen genommen und den Heimweg angetreten.

2012 haben wir den nächsten Anlauf genommen. Mit mehr Erfolg.

Guter Morgen in Vieux Cordes.
Auf dem Weg durch den Ort.
Frühstück in Cordes.

09.08. 19ème étape: Villefranche-de-Rouergue–Cordes-sur-Ciel (54,73 km, 3:15:05) (Véhicules surbaissés attention)

„Monsieur, vous êtes vulgaire!“

Das Frühstück ist so speziell wie das Essen am Abend vorher. Wir machen uns gegen halb zehn auf den Weg, von den Gästen, die noch beim Frühstück sitzen, ernten wir durch die Scheiben die üblichen Blicke zwischen Mitleid, Neid und völliger Verstörung.

Marie-Noëlles Kühe müssen sich nicht bücken, die Bäuerin füttert sie traditionell aus der Hand.

Unser erstes Ziel ist die riesige Collégiale Notre Dame in Villefranche. Mitten in der Stadt dominiert sie einen kleinen Markt, durch ihren 58 Meter hohen Glockenturm verläuft eine der wichtigen Verkehrsadern der Innenstadt.

Hier herrscht Meldepflicht für Jakobs-Pilger.


Wenig Platz auf dem Kirchplatz.

Wir marodieren noch ein bisschen durch die Gassen, staunen über die Enge in der Bastide und finden irgendwann außerhalb des Zentrums eine Utile-LAND-Filiale, wo wir alles Nötige fürs Mittagessen erwerben. Die Verkäuferin an der Käsetheke ist irgendwie von uns angetan und kommt nach dem Einkauf noch zum Plausch raus auf die Straße, das ist nett von ihr, kostet uns aber locker eine Viertelstunde – am Ende wird es elf, bis wir loskommen.

Auf der D47 arbeiten wir uns in Richtung Monteils voran, und was, bitteschön, könnte man von einem Ort erwarten, der den Mont schon im Namen trägt? Oben angekommen, empfiehlt unser Radführer auch oben zu bleiben. Dort hat man gute Sicht, leider ist es kalt und windig, wir halten uns nicht lange auf.

Land mit Weitblick.

Der Schreiber selbst ist hier wohl wieder mit dem Camper zugange gewesen, denn seine Beschreibungen beziehen sich auf genau den Weg, von dem er uns abrät, dem Weg nach Najac.

Blick auf Najac, von Staats wegen zu einem der schönsten Dörfer Frankreichs erkoren.

Vor dem Mittagessen müssen wir nochmal steil abwärts nach Varen, das uns freundlich, weil mit einem schönen Rastplatz abseits der Straße empfängt. Wir belegen einen der drei großen, quadratischen Tisch mit Büro und Schnellimbiss und jede/r tut, was zu tun ist. Nach dem Essen ein Anruf im gewünschten Hotel, der sich zur bislang umständlichsten Reservierung der Reise entwickelt.

Die junge Frau am anderen Ende der Leitung will einfach alles über uns wissen, bevor sie in die Reservierung einwilligt. Und sie bucht gleich mal 15 Euro „Sicherheit“ von der Kreditkarte ab, die dann mit der Nachtgebühr verrechnet werden. Im Gegenzug verrät sie uns immerhin, wo im Ort wir das Hotel finden.

Das Ziel immer fest im Blick.

Wir fahren auf der einfach zu bewältigenden D600 in südwestlicher Richtung weiter, nach etwa 15 Kilometern sehen wir links Cordes-sur-Ciel. Unser Reiseführer schwelgt in Lob ob der gotischen Häuser, der verwinkelten Gassen und der malerischen Lage. Ich bin überrascht, dass ich schon nach kurzem Aufstieg im Herzen des so hoch gelegenen Ortes ankomme.

Mo braucht etwas länger, aber nicht, weil sie langsamer macht, sondern weil ich zu weit gefahren bin und sie zunächst darauf wartet, dass ich zurück komme. Ich habe die beschriebene Auffahrt verpasst und wundere mich, als sie es mir erklärt. Wir fahren zurück, fragen unterwegs zur Sicherheit noch einen Eingeborenen und folgen dann dessen Rat: steil aufwärts.

Anfangs schieben wir (ja: steil ist ernst gemeint) auf einer asphaltierten Straße, dann sieht Mo durch eine kleine Gasse Menschen auf gepflastertem Weg aufwärts streben. Dort will sie auch mal schauen, also schieben wir rechts rein ins Getümmel. Der Weg ist jetzt etwa doppelt so steil wie vorher, teilweise ist es kaum mehr vorstellbar, ein Fahrrad mit 20 Kilogramm Gepäck nach oben zu drücken.

Auf dem Weg in den Himmel.

Ich erinnere mich, dass die Frau am Hoteltelefon uns aus Kostengründen nicht direkt im Hotel, sondern zwei Minuten entfernt unterbringen will, und überlege, dass es Blödsinn wäre, das ganze Gepäck zuerst hinauf und im schlimmsten Fall wieder ein Stück nach unten bewegen zu müssen. Also lasse ich Mo mit den Rädern zurück und mache mich allein auf den weiteren Weg.

Die Zahl der Menschen steigt mit jedem Meter, das Laufen fällt allen schwer, Kinder, die von oben kommen, stürzen und schreien. Der Weg nach oben findet kein Ende, hinter jeder Kurve wird es steiler, enger, pittoresker. Irgendwann bin ich doch oben. Überall Läden, Eis-Verkäufer, Crêperien, Restaurants – die übliche Touristenfalle.

Unser Hotel liegt recht zentral, die Frau am Empfang erkenne ich an der Stimme wieder. Wir  klären einige Details, ich erfahre, dass es kein WiFi gibt, denke an unser Blog und sage: „Ach, du Scheiße.“ Sie schaut mich entrüstet an und wirft mir eine gewöhnliche Ausdrucksweise vor. Ich frage, wie sie darauf käme, und sie verrät mir, dass sie Deutsch spricht.

Nachdem ich unser Zimmer gesehen habe, mache ich mich auf, Mo abzuholen. Sie hat locker eine Viertelstunde warten und sich die Kommentare der Passanten anhören müssen und ist dementsprechend prima drauf. Der weitere Aufstieg macht es auch nicht besser, aber wir bewältigen ihn gemeinsam. Unterwegs beschließen wir, am nächsten Morgen nicht im Hotel zu frühstücken, zwei Mal 12,50 Euro für ein Stück Baguette, ein Croissant und einen Café sind uns einfach zu viel.

Ausblick.
Einblick.

Cordes erleben wir im weiteren Verlauf des Abends als tote Stadt. Tagsüber werden die Besucher durch- und ausgepresst, nach 19 Uhr müssen die Geschäfte gemacht sein, dann stirbt das Leben. Vereinzelte Hotelgäste können daran ebenso wenig ändern wie Händler und „Künstler“, die versuchen, vor ihren Türen gute Laune darzustellen.

Hotellerie und Gastronomie beherrscht Yves Thuriès, der sich als Patissier einen Namen gemacht hat und diesen jetzt großflächig in Ertrag umsetzt. Alle Hotels im Ort gehören ihm, einige Hotels und Patisserien betreibt er selbst, an anderen ist er beteiligt. Bäcker oder Cafés gibt es nicht, so kann er leicht 12,50 fürs Frühstück nehmen, so müssen wir morgen fürs Frühstück hinunter in den Ort fahren.

Kommen, staunen, zahlen.
Mont-Saint-Michel ist überall.

Echte „Bewohner“ hat Cordes nicht mehr. Die Etagen über den Geschäften sind leer und ungenutzt, einige Hausbesitzer versuchen, mit Lichteffekten einen anderen Eindruck zu erwecken. Hier und da werden Zimmer vom Personal der Hotels als Wohnraum okkupiert. Keine Kinder, keine Alten, keine Dinge des täglichen Bedarfs. Ein Open-Air-Museum der französischen Art.

Ungewohnt, unbewohnt.

Da auch uns der Weg nach unten zu weit ist, essen wir im Hotel. Das Essen ist gut, die Preise sind OK, der Service ist sehr professionell, aber leider völlig überlastet. Auf dem Weg zurück zu unserem Hotel  ist kaum noch jemand zu sehen.

View Cordes.