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Sonntag, 30. Dezember 2012

11. Juni 2012, der dreiunddreißigste Tag: Sully-sur-Loire–Sancerre, 93,37 km

Es geht aufwärts!

Frühstück im Hause, es ist das beste, das uns diese Tour bisher beschert hat. Auf meine Frage nach dem Bäcker schaut uns der Patron zunächst verständnislos an und erklärt dann, dass er die von uns verzehrten Baguettes heute morgen selbst gebacken hat. Und die Viennoiserie ebenfalls.

Er kann verstehen, dass wir nicht noch einen Abend bleiben wollen, ohne sein Restaurant auszuprobieren und nimmt es entsprechend entspannt hin, dass wir nach dem Frühstück weiterfahren wollen. Vor dem Hotel ist inzwischen der wöchentliche Markt aufgebaut, es ist kurz nach neun.

Ein Château! Ein Château!

Am Château vorbei fahren wir ein paar Meter auf sandiger Piste, dann geht es wieder auf den Damm – heute rollt es besser als gestern, denn der Wind ist mit uns. Die Fahrt geht über ca. acht Kilometer, dann biegt der offizielle Weg auf eine andere Strecke ab. Wir bleiben auf dem Damm.

Kurz hinter Lion-en-Sullias, etwa auf Höhe des AKWs auf der anderen Seite, kommt plötzlich ein Hund von links aus dem hohen Gras, das den Damm säumt. Hinter ihm tritt eine Frau in den späten Zwanzigern auf den Weg. Sie entpuppt sich als Lohn-Schäferin aus Holland, die bis Oktober 400 Schafe für eine Gemeinde nördlich von Gien durchs Land treiben und dann zurück nach Holland gehen wird. Unten blökt es wie wild, und die Frau weist uns fröhlich darauf hin, dass ihre Schafe an dieser Stelle offiziell gar nicht weiden dürften.

Wir wünschen weiterhin guten Appetit, wechseln am Ende des Damms auf die Straße nach Saint-Gondon und hinter dem Ort zurück auf den Damm bis Gien. Die Stadt sieht aus der Ferne zwar sensationell aus, das entpuppt sich aber als zwiespältig, denn nach ihrer Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wurde sie vollständig im alten Stil wieder nachgebaut.

Gien: optisch ansprechende Neubausiedlung am Ufer der Loire

Von Gien fahren wir abseits der Loire durchs Land, bei Briare treffen wir auf eine Kanalbrücke über die Loire, wie wir sie aus Digoin kennen. Nach Besuch des örtlichen Bäckers verfahren wir uns und finden erst nach einiger Zeit wieder aus der Stadt hinaus. Auf der Route d'Ousson kommen wir genau dorthin, überqueren die nächste Brücke und machen nach 50 Kilometern Tagesstrecke um halb eins auf der anderen Seite Mittag.

Was ist das: mehr als 100 Jahre alt, 663 Meter lang und überbrückt die Loire bei Briare?

Der Mensch muss Ziele haben im Leben

Danach zunächst einmal entlang des nächsten Canal latéral, dann auf absolut frischer Asphaltpiste bis Bonny-sur-Loire, vorbei am nächsten AKW und auf dem Damm gegen den stärker werdenden Wind auf westlicher Seite bis zur Brücke nach Cosne-Cours-sur-Loire.


So ein Schleusenwärter wohnt manchmal schöner als man glaubt

Ein Radweg, wie er heute sein soll!

In der Bar an der Ecke kriegen wir zwei Petit crème für zwei Euro, der Patron hat einen jungen Jagdhund mit auffälligem Halsband, das den Hund mittels Elektroschock unter Strom setzt, sobald er sich mehr als 250 m vom Sender (= vom Haus) entfernt. Kein Wunder, dass der Hund so verstört wirkt.

Der Tierquäler drinnen ist stolz, wir fragen draußen telefonisch in einem Hotel auf der anderen Seite nach einem Zimmer. Die Frau am anderen Ende der Leitung sagt „Non!“, ich sage „Schade.“, sie antwortet „Ja, Monsieur – vor allem für Sie“.

Das spornt uns mächtig an, die letzten zehn Kilometer vergehen wie im Fluge, gegen vier erreichen wir Saint-Satur und finden ein interessantes Hotel – leider montags geschlossen.

150 m über der Loire, 2500 ha weit über dem Durchschnitt

Durch den Ort fahren wir zum Rond point und von dort nochmal drei Kilometer aufwärts nach Sancerre. Die Steigung orientiert sich an den Prozenten der hier ausgebauten Weine: zehn bis zwölf Prozent, wir fühlen uns wie auf dem Weg durch die Dordogne.

Oben angekommen, empfiehlt uns die freundliche Frau im Office du Tourisme Hotel und Restaurant. Wir bekommen ein günstiges Zimmer, duschen uns, waschen die Trikots und schlafen bzw. schauen das EM-Spiel zwischen Frankreich und England.

Um halb acht geht's zum Essen. Alphonse Mellot serviert Tartar von Saint-Jacques und Mango, Oeufs meurettes mit zwei Saucen, Filet de Boeuf und einen Andouilette-Auflauf. Mit dem passenden Getränk tut man sich natürlich schwer in dieser Umgebung, am Ende einigen wir uns auf ein Fläschchen Sancerre.

Im Hotel schauen wir Petra von Kant in der RWF-Retrospektive auf arte noch ein halbes Stündchen beim Heulen zu.

„Willst du immer weiter schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah!“

Nachdem wir den geplanten Ruhetag gestern mangels Restaurant hatten sausen lassen, beschließen wir, die Sause in Sancerre nachzuholen. Mal sehen, ob uns das Hotel für eine weitere Nacht aufnimmt.