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Freitag, 1. Februar 2013

17. Juni 2012, der neununddreißigste Tag: Saligny-sur-Roudon–Chagny, 126,08 km

Der letzte Abend – darf's etwas mehr sein?

Nach gemeinsamem Frühstück stimmen wir die Modalitäten der Rückreise nochmal mit Europcar ab. Bis zehn sind alle Habseligkeiten gepackt, alle Neugeborenen an der Nase gestreichelt und alle Anwesenden ausgiebig umarmt. Auf geht's!

Am Kanal ist wenig los, bis zur Pont canal bei Digoin rollt es fast von allein. Am Port de plaisance biegen wir links ab in Richtung Intermarché, wo wir uns mit dem fürs Mittagessen Erforderlichen eindecken.

Salut, Loire, so sieht man sich wieder!

Bei Paray-le-Monial wechseln wir vom Radweg auf die D974, die direkt am Kanal verläuft und mit der wir im letzten Jahr schon gute Erfahrungen gemacht haben. Der Verkehr ist nicht der Rede wert, zwei junge Männer versuchen einige Zeit, mit den Alten mitzuhalten, aber meine Frau macht das Tempo und weiß das zu verhindern.

Etwa zehn Kilometer vor Montceau-les-Mines entdecken wir auf der anderes Seite des Kanals „Les Touillards“, ein kleines Picknick-Naherholungsgebiet, das uns fürs Mittagessen gerade recht kommt. Man braucht schon eine solide Grundlage, um die Schrecken der vor uns liegenden Stadt schadlos zu überstehen.

Essen mit Aussicht

Gut gestärkt kommt uns der Minenmoloch heute fast schon erträglich vor. Wir halten uns zur Sicherheit vom Zentrum fern, was die Sache erleichtert. Nach Verlassen der Stadt erwartet uns ein neuer Weg. Nachdem wir im letzten Jahr aus dem südöstlich gelegenen Saint-Gengoux-le-National aufwärts geklettert waren, fahren wir diesmal in nordöstlicher Richtung am Kanal weiter. Die Piste ist löchrig, die Umgebung schön, wir erreichen Montchanin, wo es keinen Café gibt. Klar, es ist Sonntag und alles geschlossen.

Wo sich der Franzose einen schönen Nachmittag macht, sehen wir kurz darauf: an dem Angelsee mitten im kleinen Grüngürtel der Stadt. Und heute ist nicht irgendein Sonntag, heute ist Concours de pêche, da wird erbittert um jeden Fisch gekämpft. Die Herren haben deshalb auf WM-Niveau aufgerüstet: Jeder bringt durchschnittlich drei Ruten zu Wasser, jede Rute ist mit Carbon-Verlängerer auf etwa sechs Meter gewachsen, und jeder Verlängerer liegt vollsperrend quer über dem Radweg.

Da gibt's nur eins: handgreiflich werden. Nachdem ich die erste Rute einen halben Meter nach rechts geschoben habe, um durch zu kommen, ziehen einige der folgenden Angler nach freundlicher Bitte ihre guten Stücke selbst etwas zur Seite. Etwa in der Mitte treffen wir jedoch auf einen Uneinsichtigen, der die Konfrontation sucht und laut wird, u.a. mit einem klaren, deutschen „Nein!“.

Um die Sache abzukürzen, greife ich erneut zu, und auf dem Rest des Weges gibt es keine Diskussionen mehr. Alle rücken ihre Angeln zur Seite, wir kommen anstandslos durch. Da sich der Weg danach im Ungewissen verliert, kürzen wir auf verbotenem Pfad entlang des Kanals und unterhalb eines Autobahndreicks ab.

Durchfahrt nur für Fahrzeuge mit behördlicher Genehmigung (und renitente deutsche Radtouristen)

Bei Saint-Julien-sur-Dheune bekommen wir den inzwischen heiß ersehnten Café, bis Saint-Léger-sur-Dheune bleiben wir auf der schmalen, aber heute nur mässig befahrenen D974 am Kanal. Bei einer Rast kurz vor der Stadt habe ich das Vergnügen, einem französischen Ehepaar den Weg nach Montchanin zu erklären. Das Vergnügen stellt sich am Ende ein, als Monsieur sagt: „Ah! Vous êtes Belge… “.

Ich werte das als Kompliment und als Beweis dafür, dass jeder Tag der vergangenen sechs Wochen sein Geld wert war!

Bitte notieren: Nicht weit von hier wurde mein Französisch gelobt!

Am Marktplatz in Saint-Léger-sur-Dheune einigen wir uns darauf, den Weg bis Chagny fortzusetzen, greifen für die restlichen Kilometer nochmal zu kalorienreicher Nahrung aus der Schokoladenfabrik und reservieren das einzig verfügbare Hotel.

Das wird kein billiger Abend. Dafür ist der Rest des Weges ein Traum.

Am Kanal nahe Santenay

Am Kanal nahe Santenay 2

Der Weg durch Chagny ist nicht selbsterklärend, zwischendurch müssen wir nochmal im Hotel anrufen und fragen, wie wir fahren sollen. Schließlich landen wir dort, wo wir vor ein paar Jahren bereits einen Nachmittags-Café genommen und entschieden hatten, dass uns ein Aufenthalt entschieden zu teuer käme.

Kompliziert ist er auch. Denn noch vor Aufsuchen des Zimmers müssen wir entscheiden, was wir abends essen wollen. Die Auswahl ist zudem stark eingeschränkt, schließlich ist immer noch Sonntag. Mo hat sich längst nach oben verdrückt: Das Hotel hat im Garten ein Schwimmbad, und wenn sie schon mal da ist ...

Eine Herberge mit Licht und Schatten

Den Apéritif auf der Terrasse versüßt uns ein neureicher Franzose, der geschmacklos gekleidet ist und mit lauter Stimme, großer Geste und ausladenenden Schritten vor uns auf und ab telefoniert. Das Essen im voll besetzten Restaurant ist akzeptabel: Foie gras, Salmon fumé, Käse und Crème brûlée, der Wein ist gut (Vous êtes en Bourgogne!).

Morgen gehen wir auf die letzten Meter.

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