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Sonntag, 27. Mai 2018

Stadt, Land, Fluss - 1. Tag: Sonne, Schafe, Spargelspitzen

Früh raus, ins Familienbad, wir müssen uns beeilen, weil der Schwager zum Sonntag ein Blockseminar hält und um neun in der Uni sein muss. Vorher holt er noch Brötchen, wir packen unsere Restsachen in das mitgebrachte Paket, das die Schwägerin dankenswerter Weise im Lauf der Woche zu Post bringen wird.

Nach überdurchschnittlich emotionalem Frühstück verabschieden wir erst den Schwager und dann uns. Ab 9.20 Uhr läuft die Zeit. Zunächst südwärts in Richtung Oeversee, dann irgendwann westwärts in Richtung Husum. Zwischendurch zelebrieren wir kurz den Ärger, ohne den eine solche Tour bei uns nie auskommt; es geht um Pedale, Schuhe und deren schlechte Verbindung. Vielleicht reicht der eine Ausbruch für die kommenden Tage.

Die ersten Spargel gibt's schon kurz hinter Flensburg

Der Wind drückt uns kräftig vor sich her, das Tempo ist entsprechend. Der Ärger dämpft die Bereitschaft zur Konversation. In Ahrenviölfeld gibt es gegen elf ein paar Nüsschen, auf kleinen, leeren Straßen fahren wir vor Husum einige Umwege, gegen Mittag kommen wir relativ frisch am Hafen an.

Husum einerseits

Husum andererseits

Maria hilf!

Bei Finkhaushallig finden wir tatsächlich die gesuchte Bank fürs Mittagessen. Im Geruchsteppich der recht frisch ausgebrachten Gülle schaffen wir immerhin drei der mitgebrachten Brote. Das ist ein anderer Geruch als beim gestrigen Mittagessen im Odore del Mare in Flensburg.

Schafe mit Spargelspitzen (Sonne verdeckt)

Wir rollen weiter durch Witzwort (städtisch verpartnert mit dem österreichischen Ort Loachnumma) und kreuz und quer durch Kooge mit klangvollen Namen. Bis gegen 14 Uhr die Lust auf Kaffee und Eis kaum noch kontrollierbar ist.

Leider gibt die Gegend keinerlei Anhaltspunkte für die Befriedigung solcher Genüsse - bis endlich der Kirchturm von Tönning in der Ferne auftaucht. Die Stadt passt zu unserer Planung, denn wir hatten uns vorgenommen, nach etwa 85 Kilometern das Tagesziel und das weitere Vorgehen abzustimmen.

Im Ort landen wir an der Restaurant-Meile am Hafen und entscheiden uns für den letzten Anbieter in der Reihe: das Café Hafenblick. Der Bereich vor dem Haus ist gut besucht, wir finden noch zwei Stühle und bestaunen die riesigen Windbeutel, die an uns vorbei getragen werden. Nach 88 Kilometern kann man sich da schon mal einen teilen, wir suchen uns aus großer Auswahl das Teil mit frischen Erdbeeren und Sahne aus, dazu zwei Cappuccini. Der Kaffee ist dünn, die typisch deutsche Variante. Der Windbeutel steht auf dem Teller Kopf als er zu uns an den Tisch kommt; er ist schnell vertilgt und hinterlässt keinen bleibenden Eindruck.


Statt Hafenblick: Schlossblick

Wir beschließen, die Fahrt fortzusetzen. Die Route führt uns zunächst am Hafen entlang, dann hinter den Deich und von dort auf windgeschützter Strecke in Richtung Eider-Mündung. Vor uns fährt ein engagierter Mittfünfziger, dem wir gerne folgen. Vor der Eidersperre trennen sich unsere Wege, nachdem wir die Sperre überquert haben, steht er plötzlich neben mir und unterweist mich in der Kunst, schön und schnell nach Büsum zu kommen.


Von der Eidersperre ins Land: Spargel, so weit das Auge reicht

Er schickt uns auf den Weg am Außendeich, unsere Navigation reklamiert die kommenden 16 Kilometer immer wieder "Streckenabweichung", aber wir lassen uns nicht beeindrucken und fahren mit kräftiger Wind-Unterstützung durch die Schafweiden entlang des Deichs.

Am Außendeich: Schafe, so weit das Auge reicht

Am Ende geht es durch den verbotenen FKK-Strand, und dann ist irgendwann tatsächlich Schluss: "Ende des Radwegs" sagt das Schild, und wir schieben hoch auf den Deich, ziehen unsere Trikots wieder an und schieben den Deich runter zum Radweg am Innendeich. Bis zur Pension ist es nicht mehr weit, der Vermieter kommt nach Anruf. Wir checken um 17 Uhr ein, duschen usw., danach geht es ins Ortszentrum, wo wir einen Platz zum Essen suchen.

Büsum ist die Hölle. eine Touristenfalle ganz alter Schule, lauter Leute in unserem Alter, alle stark übergewichtig, alle mit Capri-Hosen, alle auf der Suche nach dem beschaulichen Büsum. Das ist längst passé, und jetzt wird der vormalige Meeresblick am Hafen auch noch von Hotel-Baustellen zubetoniert. Das freut nur wenige im Ort, verspricht aber wohl ein Mehr an Gewerbesteuer, auf das der Stadtrat nicht verzichten möchte.

Den Abend beschließen wir im "Störtebeker" auf der örtlichen Fressmeile. Der Service ist freundlich, das Bier schmeckt, mein Burger ist zu trocken, aber das Surf 'n' Turf auf dem Teller gegenüber ist jeden Cent wert. Mit der Bedienung sprechen wir noch kurz über den Ort, dann machen wir uns auf den Rückweg - wir wollen ja noch ein paar Kugeln  beim "Das beste Eis in Büsum" ergattern.

Das klappt gerade noch. Zurück im Sonneneck ruft der Junior an, danach geht's in die beiden Einzelbetten.

115 Kilometer quer durch Schleswig-Holstein

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